Der Sage Liebling, goldner
Grund der Treue,
Herzblutbetaute Wahlstatt
vieler Ehre,
Des Fleißes Schule, Schirmburg
der Altäre,
Versunken halb, wie blühest du
auf’s Neue!
Und über dir, mein
Deutschlang, hoch zur Bläue
Des klarsten Himmels schwebt
dein Adler. Hehre
Botschaft dem Erdkreis durch
erstaunte Meere
Die Wimpel tragen, und er
hört’s voll Scheue:
Germania, die Fürstin, hub die
Stirne,
Aus deren Haus, von deren
Ingesinde,
Dieweil sie schlief mit
Fiebertraum im Hirne,
Fort Mancher zog, daß er die
Heimath finde.
Nun schallt ihr Wort im Thal,
am Gletscherfirne
Und ruft, wie starke
Mutterlieb dem Kinde.
Und wer im kühlen Fächerspiel
der Palmen
Sein Dach vergaß, an dem die
Schwalbe nistet,
Und wer von Sorgen matt ein
Leben fristet
Im ewgen Werktag unter Dampf
und Qualmen,
Ja wessen Zähne Bettlerbrot
zermalmen,
Wem nie das Herz die Trägheit
überlistet,
Dem jubelt’s heut: Euch ward,
was Ihr vermißtet,
Das Vaterland. Auf, stimmet
Freudenpsalmen!
Und scheiden sich auf
Viertelstunden Weges
Ausländchen noch und dräuen
wie zum Hohne
Grenzpfähle rings
buntscheckigen Gepräges,
Wo lebt ein Mann, der nicht
Reliquien schone?
Der Trieb des vielgetheilten
Waldgeheges
Ist Einer doch: Zum Licht der
Kaiserkrone.
Ich sah ein Riesenschulhaus im
Gesichte,
Darin Germaniens Völker in der
Runde
Voll Wißbegier: Sie halten deutsche
Stunde
Und am Katheder steht Frau
Weltgeschichte,
Die jedes ernstlich fraget:
Nun berichte,
Was lerntest du aus unsrer
Vorzeit Kunde,
Was that dein Fleiß, daß nicht
die ungesunde
Schulferienzeit dir Herz und
Kopf vernichte?
Da rühmen sie: Historisch war
die Feier
Bei Thierschau- Denkmal- Turn-
und Sänger-Festen.
Dies Zwillingspärchen spielte
Schmerzensschreier,
Wir übten uns: Wer schimpft
den Bund am besten?
Das Studium der Helden und
Befreier
Nur Einer trieb es – unter
Lorbeerästen.
O fürchtet Nichts, Ihr, deren
Herzen schlagen
Für Document und Pergament
voll Treue,
Ja, heilig halten in
Mainwasserscheue
Verträge mehr, denn brüderlich
Vertragen!
Mit Staub und Motten theilet
dies Behagen
Und des Gesetzes Buchstab Euch
erfreue;
Nur uns, vertieft in Arbeit,
in stets neue,
Der Geist soll uns von
deutscher Hoffnung sagen,
Der Geist, der frei macht,
Geist voll Kraft und Liebe,
Der gern auch pfleget
abgewandte Triebe,
Doch Blitze sprüht dem nachbarlichen
Diebe.
Sein Odem brennt die
Flußverschanzung nieder,
Und Eines Herzens Blut
durchrieselt wieder
Die lang von Selbstsucht
unterbundnen Glieder.
Des Namens Vielheit scheidet
diese Lande,
Die Kraft des Lichtes bricht
in dreißig Farben,
Vom Leid der Mutter Söhne Ruhm
erwarben
Und Dein Triumph war Deines
Bruders Schande.
Drum Alle kommt mit einem
Unterpfande,
Die Stirne beuget mit des
Haders Narben:
In unsrer Ernte reifen Eure
Garben,
Kommt, schützet sie vor Sturm
und Sonnenbrande.
Denn was vom Gift der
Eifersucht zertheilet,
Das wird durch Arbeit und
vereintes Hoffen
Im Schweiße nur des Angesichts
geheilet.
Vergeßt den Schlag, der uns,
wie Euch getroffen,
Und nimmer jetzt am Krankenbett
verweilet:
Die Ehre läßt kein
Hinterthürchen offen.
Zum Bau der Könige die Kärrner
karren
Und Buben um das Werk der
Männer lärmen
Oft ohrzerreißend. Aber drob
sich härmen,
Das dünkt mich selber thöricht
sein mit Narren.
Dies Achselzucken, vornehm
Silbenschnarren,
Dies Gift aus aufgeblasenen
Gedärmen,
Zeigt fauler Drohnen Art, wenn
Bienen schwärmen,
Der Mann verschmäht des
Hochmuths eitlen Sparren.
Darum du Volk der Arbeit und
der Ehre,
Entsendest du, um Brüder
herzurufen,
Die Botschaft deiner Thaten, o
dann wehre
Der Prahlerei an deines Hauses
Stufen,
Daß kein Schmarotzer statt der
Gäste zehre
Vom Segensbrot, das deine
Helden schufen.
Wie Archimedes seitab dieser
Erde
Die Stätte sucht, von dort sie
hoch zu heben,
So, Patrioten, einmal nur im
Leben
Nach Außen geht, daß Euer Herz
stark werde.
Einmal ertragt des Fremdlings
Hohngeberde,
Versucht Bescheid dem dreisten
Spott zu geben,
Wo Deutschland liegt? Und
Scham und zornig Beben
Esticken Euch das Räuspern der
Beschwerde.
Doch bleibt Ihr klein und
wollt mit Zwar und Freilich
Der Heimath Ruhm und Kraft und
Würde messen,
Dann zögert draußen, reiset
nicht zu eilig.
Als warnend Schreckbild seid ihr
unvergessen:
Den Fabelspruch vom Bündel
hunderttheilig
Die Hottentotten lehret
unterdessen.
Und weil es heut des Nachbars
Recht zu fragen
Und weil Ihr klug und
wißbegierig seid,
Verehrte Gönner, kommt in fremdem
Kleid
Und in das Ohr des Horchers
laßt Euch sagen:
Wohl klagen wir, doch wahrlich
eigne Klagen,
Wir leiden, aber unser ist
dies Leid,
In Frieden kehrt, in Liebe
sich der Streit,
Wenn gegen Euch die Herzen
Sturmmarsch schlagen.
Und müßt Ihr Alles lernen bis
zum Grund:
Die Mutter, der von Vielen
unbegraben
Ein Sohn nur blieb, und dieses
Einen Mund,
Die Freiheit und die blutigen
Buchstaben
Des Ruhmes fraget, fragt den
Glauben und –
Thuts Noth, das Schwert! Ihr
werdet Antwort baben.
Welch kühnes Werk, für
Deutschland Saaten säen!
Dies that ein Mann, und
Parlament und Gassen
Und Schule, Haus und wo
Festredner prassen,
Ja, Zwietracht selber eins
wird, ihn zu schmähen.
Er aber lächelt, seine Blicke
spähen,
Sein Arm greift aus zum
Streiten, Siegen, Fassen:
Und plötzlich ihn anstaunen
Lieb und Hassen,
Und Dank und Ehrfurcht ihn,
den Koryphäen.
Und Neugier drängt in diese
deutsche Einheit:
Gevatter Schneider mißt nach
ihm die Schöße,
Indessen er voll selbstvergeßner
Reinheit
Sorglos, ob Feinden er sein
Haupt entblöße,
Weit überragt des Volkes
Allgemeinheit
Um mehr denn Saul: um eines
Willens Größe.
Schimmernd im tiefen Blau der
Ätherwellen,
Die satt von Licht um die
Ruine fluthen,
Heiß brennend, wenn die
feurigen Minuten
Der Dämmerung vom Wald zum
Erker schwellen,
So träumt das Schloß zu
Heidelberg. Und gellen
Auch Dampf und Pfeifen, die
sich keuchend sputen:
Melodisch hier im Schatten,
drin wir ruhten,
Erlabten uns der Vorzeit
frische Quellen.
Und plötzlich horch: Wie eine
Aeolsleier,
Wie Geistermahnung dröhnt mit
dumpfem Klange
Der Glockenruf vom Gräberdom
zu Speier:
„Die Krone schläft, ihr
Erbherr zaudert lange!
Ein Patriarch, wie Kaiser
Rudolf sei er,
Daß er zu Lehn all Lieb und
Land empfange.“
Ihr, mit Erwägung
schwerbeladne Männer,
Unglücksprophet und
Busenfreund der Sorgen,
Die Bürde lasset und von Süd
gen Morgen
Durchfliegt die Welt auf
raschgezäumtem Renner.
Paris und Rom Euch stempeln
zum Bekenner:
Die Ernte sei in deutscher
Saat beborgen,
In uns das Ritterthum von St.
Georgen.
Und in Millionen unsre Zahl
der Nenner.
Wohl darum dräut man, darum
halb wollüstig
Halb giftig klug sie tausend
Ränke schmieden,
Und zärtlich warnt, wer
boshaft, wer engbrüstig.
Doch Kraft erzeugt das Amt,
von Gott beschieden.
Lobsinget Ihm! Die Schnitter
werden rüstig
Und heimsen ein die Freiheit
und den Frieden.
Geredet ist für Deutschland
manche Rede,
Mit That und Wort geschlagen
wurden Schlachten,
Viel bittern Schweiß und
treues Herzblut brachten
Ihm Helden dar in
unfruchtbarer Fehde.
Und stets war Thorheit, süße
Thorheit jede
Der Hoffnungen, die unsre
Gluth entfachten:
Die Knaben sangen und die
Männer lachten,
Wie über Fabeln aus dem Buch
Vellede.
im Schooß der Arche träumten
wir und harrten
Des Kaiserraben mit dem
Friedenslaube,
Doch alle Stunden alle Träume
narrten.
Jetzt endlich horch! Jetzt
naht die heilige Taube:
Ihr mit dem Banner, das wir
längst verscharrten,
Entgegenschreitet
rücksichtsloser Glaube.